Wir sind nun seit mehr als einer Woche im Westen der chinesischen Provinz Sichuan unterwegs - dem alten Tibet. Das Passieren des Grenzuebergangs dorthin war sehr abenteuerlich, denn es war noch immerunklar, ob das Gebiet fuer Auslaender weiterhin gesperrt ist. Das individuelle Reisen fuer Auslaender in tibetischen Regionen Chinas (wie bspw. Tibet, Sichuan oder Gansu) wird schon seit laengerem aufgrund der politischen Lage Tibets streng kontrolliert. Viele Gebiete sind somit gar nicht bzw. nur sehr eingeschraenkt bereisbar. Nach einem sehr anstrengendem, bergigen Radfahrtag mussten wir bei Einbruch der Dunkelheit ueber eine Stunde an einer kleinen Polizeistation warten, bis man uns schliesslich passieren lies.
In den letzten Tagen haben wir 11 Paesse (der Hoechste 4870m) und mehr als 6000 Hoehenmeter ueberwunden und dabei heftigeTemperaturunterschiede erlebt. Tagsueber brennt die Sonne meist so heiss vom wolkenlosen Himmel, dass der Teer zu schmelzen beginnt und unsere Raeder knisternd am Asphalt kleben zu scheinen bleiben. Oft fahren wir schwitzend den ganzen Tag an einem Fluss quellaufwaerts entlang und sind versucht in das tuerkise, klare Wasser zu springen, das so verlockend wie ein Swimmingpool wirkt, doch kaum hat man einen Zeh in das eiskalte Gletscherwasser gesteckt ueberlegt man sich das Ganze schnell anders... Je mehr man sich den Passspitzen naehert, desto heftiger und eisiger weht der Wind, so dass wir kurze Hose und T-Shirt gegen Thermoklamotten, Muetze und Handschuh eintauschen muessen. Und sobald sich die Sonne hinter den Bergen oder Wolken verabschiedet wird es richtig kalt. Ich (Karin) trage im Schlafsack alle Sachen die ich dabei habe, denn nachts herrschen Minusgrade und unser Zelt ist mit einer kleinen Eisschicht bedeckt. Letzteres kommt immer mehr zum Einsatz da Sichuan nur sehr duenn besiedelt ist. Jeder Tag muss genau durchgeplant werden: Trinkwasser und Vorraete ausreichend mit "nach oben" geschleppt werden. Teilweise durchqueren wir nur ein kleines Dorf am Tag und stuerzen uns auf die kleine Bretterbude die als Verkaufsstand dient und beim Anblick einer Spreite oder einer Kekspackung fuehle ich mich, als waer' ich im Intershop.
Die letzten Etappen kosteten viel Kraft, die Steigungen lassen uns beim Anstieg bis an unsere Grenzen gehen und bei den Abfahrten werden Gelenke, Felgen und Bremsen extrem strapaziert. Wir fahren teilweise mehr als 30km nur bergauf und sind uebergluecklich, wenn wir die mit bunten, tibetischen Wimpeln gekennzeichneten Passspitzen erreichen. Doch die Strapazen werden mit atemberaubenden Ausblicken mehr als belohnt. Die Einsamkeit und die Schoenheit hier oben in den Bergensind ist unvergleichlich. Zwischen den maechtigen Felsformationen, den tiefen Schluchten und den schneebedeckten Gipfeln kommen wir uns ganz winzig vor. Kaum hat man die Baumgrenze (ca 4200m) ueberquert, betritt man eine geradezu surreale, karge, mondaehnliche Landschaft, die in allen erdenklichen grau-gruen-braun Toenen leuchtet. Hier oben gibt es, mal abgesehen von ein paar flauschigen Murmeltieren oder majesthaetisch dahingleitenden Steinadlern kaum Leben - dafuer ist es zu kalt und der Wind weht so eisig, dass wir mit tiefroten Gesichtern weiterradeln. Nicht selten geraten wir in Hagel- und oder Schneegestoeber, die wie kleine Nadelstiche im Gesicht schmerzen.
Momentan pausieren wir einen Tag in Litang, einer tibetischen Stadtauf mehr als 4000m ueber dem Meeresspiegel. Hier tickt die Uhr noch ganz anders: die Strassen sind gefuellt von Moenchen, mit bunten Kutten traditionell gekleideten Tibetern, die ihre Gebetsrollen schwingen oder ihre Gebetsketten durch die Haende laufen lassen, dazwischen langhaarige Motorradcowboys mit witzigen Hueten, Sonnenbrillen und Bassrollen montiert auf dem Ruecksitz ihrer Maschinen. Zwischen den hupenden Autos laufen Yaks und Hunde ueber die Strasse. In Litang herrscht eine wirklich einzigartige und fazinierende Atmosphaere. Wir lernten Rinchen kennen, einen ehemaligen tibetischen Nomaden, der mittlerweile als Englischlehrer sein Geld verdient und uns viel ueber das Land, Leute und Geschichte erzaehlt. Morgen brechen wir zu unserer letzten Etappe Richtung Chengdu auf. Die 4000km Marke ist bald erreicht und vor uns liegen noch eisige Passueberquerungen ueber den Wolken.
19.05.09
Ueber den Wolken
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9 Kommentare:
Ironman and -woman on tour - Hallo Ballett das klingt hart aber irgendwie auch total super. Wir ham neulich auch ne Radtour gemacht. 48km und 67m Höhenunterschied - hehe.
Beste Grüße vom anderen Ende der Welt
Inga und Jens
Bei diesem ständigen Auf und Ab,.. warm und kalt,.. da hätte ich sicher gleich dicke Mandeln... ich bewunder Euch und bin stolz auf Euch.
Das ist so schön beschrieben! :-) Was für eine Etappe!!
Meine lieben Schätze, Deine Kurzmail - l.B.- sagt mir, dass Ihr Gott sei Dank diese anstrengende Etappe von 1600 m in 48 km bergauf hinter Euch habt. Das heißt natürlich nicht, dass es nunmehr bergab nicht minder anstrengend wird. Auf jeden Fall bleibt alles aufregend, für mich auf eine andere Weise als für Euch. Manchmal weiß ich nicht, ob ich Euch bewundern, beneiden oder bemitleiden soll; wahrscheinlich von allem etwas. Nur eines weiß ich ganz sicher, dass ich mich unheimlich auf Eure Rückkehr freue. Aus dem "Schnürli" regenden Berlin ein ganz lieber Gruß Eure M.u.I. Ich drück Euch in Gedanken und kommt gut in die Schlussrunde.
Hi lieber Lars, fast zur gleichen Zeit haben wir an die Weltenbummler gedacht, denn Du hast mich hier in diesem Forum von dem evtl. 3. auf den 4. Platz verschoben. Ja, wer zu spät kommt, .....na ja Du weißt schon Wir sehen uns ja bald.
Liebe Grüße - auch an Ela - Inge
Liebe Karin,lieber Sebastian,
zuerst ein herzliches Dankeschön für Eure tolle Karte von der Bergwelt in Yunnan.
Wenn meine Hüfte... etc.!
Nein, daß wär nie etwas für mich gewesen.
Fahrt schön vorsichtig und kommt gesund zurück.
Bis bald
deine Oma Anneliese aus Kassel/Vellmar
Grüße auch von Mobe
mein highlight der woche war eure karte!!!danke, ich hab mich dolle gefreut...wir freuen uns schon alle sehr auf euch
ps karin: ela, kiki und ich haben dich gestern beim finale von germanys next topmodel vermisst ;-)
liebste grüsse von marja
Das ist ja Schnee hinter euch – ihr hättet lieber die Ski mitnehmen sollen! :)
Noch ein paar schöne Radfahrtage und viel Spaß in Beijing!
Hab eben mit Oma Erna telefoniert. Sie hat sich so sehr über Eure Karte gefreut und bedankt sich vielmals. Und sie fiebert Eurer Heimkehr entgegen,... auch wenns nur noch 7 Tage sind, weiterhin schön aufpassen, dass nix passiert, sagt sie.
Freu mich auch wenn Ihr wieder da seid. Dann können wir endlich die letzte steinharte Knüppel-Ahle Wurst in Mamas Keller anschneiden,..mhhh. Das wird ein Fest!
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